travelogues

Argentina: Jens Blume and family

Zu viert auf zwei Rädern

Emilia liebt Kinder – ich liebe Radtouren. Wir beide lieben das Abenteuer und seit ein paar Jahren auch einander. Nach einer Fahrrad- und Wanderreise im Sommer 2013 saßen wir beeindruckt von den tollen Erlebnissen in einer Kneipe in Breslau und schmiedeten Zukunftspläne:

Unsere älteste Tochter wird bald eingeschult – aber eine richtig große gemeinsame Reise davor, das wäre klasse! Also muss sie davor geschehen.

Und noch ein Geschwisterkind, das wäre doch auch etwas Tolles. Nun wurden Zeitfenster hin- und hergeschoben, Semesterpläne durcheinander gewirbelt und Reiseziele mit möglichst wenig gemeinen Krankheiten herausgesucht. Ein wenig später stand er, der Plan, und auch unser Kinderwunsch erfüllte sich im März 2015.

Seit Mitte Dezember 2015 waren wir also unterwegs. Genauer: Emilia (25), Ich (30), Livia (7) und Magdalena (1). Unser Reiseziel: Das Ende der Welt. Unser Antrieb: Sehr viele Nudeln, stahlharte Willenskraft, Pinguine und nicht zuletzt leckere Milch. Unser Transportmittel der Wahl: Ein Patria-Terra Reiserad, ein einspuriger Anhänger von tout terrain und ein Stufentandem von Hasebikes. Unsere Ausrüstung: Haltbar, leicht, wind- und wetterfest und ohne verschluckbare Kleinteile, bitte.

Rückblende: 11. Dezember, 2015. Santiago de Chile, Airport. 25 °C.

Sonnenschein. Übermüdet taumeln wir aus dem Flieger. Nach 36 Stunden mit zwei Kindern und insgesamt vier Flügen wollen wir nichts anders als in unsere Unterkunft und schlafen. Wir stehen am Gepäckband, sammeln unsere zu handlichen Paketen zusammengeschnürten Packtaschen ein. Eins, zwei, drei – alle da! Dann taucht auch unser flugtauglich gemachter Anhänger auf. Puh – Glück gehabt, sieht auf den ersten Blick unbeschädigt aus.

Die Zeit vergeht - das Gepäckband leert sich stetig, nur ein paar scheinbar herrenlose Taschen warten traurig darauf, vom Personal entgegen genommen zu werden. Immer wieder wandern unsere Blicke zur Sperrgepäcktüre – doch es ist vergeblich, sie bleibt geschlossen, unsere Fahrräder scheinen sich nicht mit uns auf denselben Weg gemacht zu haben. Wo sie jetzt wohl stecken? Noch in Panama City, unserem vorigem Umsteigeflughafen? Oder vielleicht noch in der Dominikanischen Republik, wo wir zwischenlandeten? Zweifel bahnen sich den Weg, ob es wirklich sinnvoll war, den günstigsten Flug mit drei Umstiegen zu nehmen. Nun ja, in gebrochenem Spanisch melden wir den Verlust an. Gut, dass wir vorher ein paar Kurse gemacht haben, hier spricht niemand Englisch. Traurig steigen wir anschließend ins Taxi gen Zentrum. Zumindest das klappt.

Über Airbnb haben wir eine nette Unterkunft für uns reserviert, die wir nun ein paar Tage verlängern, um auf die Räder zu warten. Nach einigen Telefonaten mit der Lufthansa kommt Licht ins Dunkel: In Frankfurt ging etwas schief, der nächste Flieger nimmt nun die Bikes nonstop mit nach Santiago. Wenige Tage später und nach viel Hin und Her am Airport schiebe ich freudestrahlend die beiden riesigen Kisten vor mir her. Ab jetzt läuft alles wie am Schnürchen, und was nun beginnt, kann man nicht anders als eine wahre Fahrrad-Traumreise bezeichnen.

Tausende Kilometer folgen wir der südamerikanischen Pazifikküste nach Süden. Ushuaia ist unser erstes Etappenziel – die südlichste Stadt der Welt. Unterwegs begegnen wir einer enormen Vielfalt: Im Regenwald kämpfen wir uns durch nasse Schotterwege, in der argentinischen Steppe trotzen wir absoluter Trockenheit und laden über 20 L Wasser auf unsere Tubus-Träger, der unvorstellbare patagonische Wind verlangt uns und dem Zelt Enormes ab und der zu Ende gehende Herbst auf Feuerland beschert uns neben dem goldenen Licht der oft tief stehenden Sonne auch ungemütliches Wetter mit Eis und Schnee. Nach knapp vier Monaten rollen wir schließlich unsere vorerst letzte Abfahrt hinab und stehen über und über glücklich am Ufer des Beagle-Kanals!

Wir pausieren hier ein wenig und planen Teil 2 der Reise: Eine dreimonatige Fahrt durch das Anden-Hochland Boliviens und Perus.

Schroffe Viertausender-Pässe, unglaubliche Kinderfreundlichkeit, schier unendliche Abfahrten, Wälder aus Kakteen und Nächte mit zweistelligen Minusgraden warten auf uns...